Die Maulfotze einer Schlampe

von FLORIAN PASTERNY

 

"Knie dich gefälligst nieder, wenn du mit mir sprichst" - sprach er und schlug ihr ins Gesicht. Fantasien, die für die meisten Menschen vor 'Shades of Grey' noch "kranke Scheiße" waren. Doch das sind sie mittlerweile nicht mehr. Das Internet fasziniert seit Jahren mit sexuellen Reizen, und nun auch noch die Literatur. Wobei man feststellen muss, dass 'Shades of Grey' wahrlich kein Meisterwerk ist und dennoch schafft der Roman, was viele Menschen jahrelang vergeblich versucht haben: Ficken, SM und devote Schlampen werden salonfähig. Man liest dieses Buch offen in der Bahn, teilt sexuelle Fantasien mit Freunden und lässt sich gerne mal fesseln und verhauen. Ein Spiel der Grenzen zwischen unbändiger Lust, Neugier und ein bisschen Angst. Doch gerade das ist der Reiz - beim spielen.

Musste man bei 'Feuchtgebiete' noch vor Ekel und Geilheit auf seine eigene Erektion kotzen, so kann man mit seiner Erektion bei 'Shades of Grey' ganz andere Dinge veranstalten. Zum Beispiel wichsen oder der eigenen Partnerin ungehemmt den Prügel ins Maul stopfen.

 

Wie Sie vielleicht merken, wird diese Sprache Ihnen nur deswegen auffallen, weil Sie das von hier nicht gewohnt sind. Aber im Umgang mit Sex und auch im Umgang mit der Sprache hat sich ein schleichender Paradigmenwechsel vollzogen. Ein Prozess den man gut oder schlecht finden kann. War Dirty Talk noch bis vor wenigen Jahren eine Spielart der Zweisamkeit im eigenen Schlafzimmer, so zieht sich dieser Trend durchs Internet, durch Bücher und durch die eigene Sprache. 

 

Unterdessen avancieren die Prostitutions-Reports finanzknapper Studentinnen zum Top-Thema der Feuilletons. Auch die 26-jährige Piratin Julia Schramm (Bundesvorstand) hat einen pseudo-Skandal parat. Mit ihrem Buch 'Klick mich - Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin' geht sie den Weg der sprachlichen Sexualisierung mit. Gerade einmal 200 Seiten für 16.99 EUR - verfickt teuer. Und auch Julia Schramm beschreibt die schier endlosen Möglichkeiten im Internet seine Fantasie zu frönen.

 
Fast 50 % aller deutschen Internetnutzer schauen sich mehr oder weniger regelmäßig Pornos im Internet an. Das Internet ist ein Spielplatz für Erwachsene, Perverse, Dominante und Devote, für Jungfrauen und Schlampen, sowie für Muttersöhnchen und Machos. Ein erotischer Chat hier, ein Webcamgepoppe dort und zwischendurch ein guter Porno oder Bilder irgendwelcher Exfreundinnen von anderen Männern. Und im Internet ist der Fantasie schon lange keiner Grenze mehr gesetzt: Sex mit Tieren, Kindern, Omas und Opas, Sex mit Gegenständen oder mit Kacke und Pisse; ja sie ist verrucht diese Welt.

Die Fantasie ist ein Ventil unserer evidenten Wahrheit. Wir konterkarieren dank oder trotz unserer Erziehung ein Ausleben solcher Demütigungs- und Vergewaltigungsfantasien. Dabei hat jede zweite Frau schon einmal an eine "gespielte" Vergewaltigung gedacht oder gar davon geträumt. Erschrocken ob der eigenen Erregung  hat sie diese Gedanken aber ganz schnell ins hintere Kämmerlin verschoben. Aber eine devote Art ist nichts perverses oder unnormales. Ausgeliefert zu sein und das zu tun, was der andere möchte - eine verflucht erotische Reise ins Reich der Fantasie.

 

 

Die verklärte Idee, dass man den Partner fürs Leben im Internet finden könne, ohne sexuelle Berührungspunkte zu haben ist Schnee von gestern. Sozial-Romantik in der reinsten Form. Viel zu oft interessieren uns Portale wie Poppen.de oder Kaufmich.com mehr als iLove.de. Und wieso? Weil Sex im Gegensatz zur Liebe herrlich unkompliziert ist. Die Welt dreht sich um Sex und solange wir keine anderen Probleme haben, oder weil wir eben andere Probleme haben, wird sie das auch weiterhin tun.

'Shades of Grey' hat viele Frauen auf den richtigen Pfad der Sexualität geleitet. Wo man vorher seine Zeit vertrödelt hat, ist nun nur Fickenfickenficken. Hausfrauen lassen sich von wildfremden Männern verführen, verhauen oder benutzen. Wobei man sagen muss, dass die Fantasie zwar grenzenlos ist, der Mensch jedoch nicht. Vielen Frauen reicht die silberne Krawatte oder die Badewannenszene aus 'Shades of Grey' - weiter will man nicht gehen. Auch das ist schon devot und damit eine Spielart, die die Frauen mögen.

Das Internet bietet gerade für schüchterne Frauen eine herrliche Plattform. Man fühlt sich unerwartet geschmeichelt und will mehr davon. Ein sexueller Größenwahn bemächtigt sich der Frau, eine irre Machbarkeits-Fantasie. Wer seine Titten oder seinen Arsch im Netz präsentiert, der hat die Macht. Die Frau lässt sich virtuell umgarnen, umwerben, umschleimen, betatschen, begatten und findet das auch noch gut. Es tut gut, auch mal eine Schlampe zu sein. Fernab jeder moralischen Diktatur der Gesellschaft und fernab jeder Realität.

 

Wer Titten und Arsch präsentiert hat die Macht


 

'Shades of Grey' hat nichts neues hervorgebracht. Das schlechte Buch hat nur dazu beigetragen, dass man seine Fantasie nicht mehr in dunklen Foren und auf irgendwelchen Sklavenmärkten im Internet ausleben muss. Man spricht darüber. Offen und mit einer neuen Sprache. Ein Fick in die Maulfotze ist genauso selbstverständlich wie die kleine Schlampe, die sich vom Wichsschwanz bürsten lässt. Frauen traut euch öfter mal Schlampe zu sein. Ich liebe diese unverbrauchte und libidinöse Sprache. Ich bin auch nur ein Mensch. Ein Tier. Ich.

 

Florian Pasterny