von FLORIAN PASTERNY
Bereits 2010 hat RTL Zwei ein Experiment gewagt. Man nehme jung aussehende Schauspieler und bringe diese mit Männern im Internet zusammen. Heraus kommt eine explosive Mischung. Zuschauer waren schockiert, Kinderschutzvereine waren verbittert und enttäuschten mit arrogantem Monopolgehabe. Doch die Sendung damals mit und von Beate Krafft-Schöning und die Sendung jetzt bei RTL von und mit Steffen Hallaschka, zeigen einmal mehr, wie wichtig der Umgang mit diesen Themen ist. Samthandschuhe gegenüber Tätern gehören ausgezogen und eine Reform des Strafrechts ist unausweichlich.
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Unternehmen wie Knuddels oder Ebay-Kleinanzeigen haben ein Problem. Sie haben einen guten Ruf – bei Pädophilen.Etwas dagegen tun? Eher Mangelware. Knuddels lässt nur kurz vermelden, dass sogenannte Filter erkennen, wenn ein Gespräch falsch läuft. Da darf dann zum Beispiel „Titte“ nicht mehr genannt werden. Oder „Ficken“. Aber das haben die Männer, in den allermeisten Fällen sind es Männer, schnell umgangen. Aus Titten werden Brüste oder Möppies und aus Ficken wird GV oder Beischlaf. Das erkennt der Filter nicht. Auch bei Ebay-Kleinanzeigen sieht es nicht besser aus. "Das Problem ist uns bekannt", erklärt das Unternehmen auf Anfrage des Stern. "Wir bilden einen Querschnitt der Bevölkerung ab, dazu zählen leider auch ein paar schwarze Schafe." Um die aufzuspüren, nutzt Ebay-Kleinanzeigen eine ganze Reihe von Maßnahmen. Etwa einen Schlagwortfilter, der automatisch grenzwertige Nachrichten aussortieren soll. Der Erfolg ist überschaubar. Denn die Probleme sind die gleichen wie bei Knuddels. Im RTL-Experiment wurden auch diese beiden Portale genutzt, um Pädophile zu ködern.
Selbstjustiz als letzter Ausweg
Jeder Steuersünder darf auf mehr Gefängnis hoffen, als ein Täter im Video der Pedo-Hunters.
Ködern – juristische Grauzone und dennoch ein Weg mit dieser Problematik umzugehen. Nicklas Hein, Ex-Polizist, betreibt einen erfolgreichen YouTube-Kanal. Als Pedo-Hunter will er Täter wirklich zu Tätern machen und diese ausschalten. Das gelingt, wie man in seinen Videos eindrucksvoll erleben darf. Hein macht mit Kollegen Männer ausfindig, die sich ihren pädophilen Neigungen hingeben wollen. Er befördert sie mithilfe von Lockvögeln in eine Falle, baut eine Drohkulisse auf und übergibt die Täter der Polizei. Nicklas Hein weiß, was er tut. Als ehemaliger Polizist kennt er sich mit Gesetzen aus und er weiß auch genau, wie er was filmen, verpixeln und sagen muss, damit er im rechtlichen Rahmen bleibt. Doch wäre das, was Nicklas Hein veranstaltet, nicht Aufgabe der aktuellen Polizei und Staatsanwälte? Leider nicht. Denn diese gehen noch immer zu lasch mit dieser Problematik um, verharmlosen Täter und bestrafen zu wenig. Jeder Steuersünder darf auf mehr Gefängnis hoffen, als ein Täter im Video der Pedo-Hunters.
Für Vereine gegen sexuellen Missbrauch sind die Pedo-Hunters, RTL und RTL Zwei ein Graus. Sie werfen den Machern Manipulation der Männer und fragwürdige Methoden zur Ermittlung der Strafbarkeit vor. Gerade der Verein Dunkelziffer sowie die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und –vernachlässigung distanzierten sich damals von der RTL Zwei-Reihe Tatort Internet. Ein "solch reißerisches und vorurteilsstärkendes" Format leiste keinen Beitrag zum Schutz von Mädchen und Jungen vor sexualisierter Gewalt, heißt es in der Stellungnahme. "Es erfüllt einzig und allein die Aufgabe, potenzielle Sexualtäter an den Pranger zu stellen und altbewährte Ressentiments zu verstärken." In allen Formaten wird kein Täter wirklich gezeigt. Niemand kann den Täter erkennen. Hier versuchen die Organisationen ihre Monopolstellung in der Hilfe für Kinder auszunutzen, um in die Schlagzeilen zu kommen. Doch was brauchen wir im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch mehr als alles andere? Aufmerksamkeit, Medienpräsenz und ein Bewusstsein für den täglich stattfindenden Missbrauch im Chat, in Familien, im Hinterhaus und vor allem vor unserer Nase. Und ohne solche Formate findet sich kein Bewusstsein dafür und das Thema bleibt da, wo es niemand haben will: unter der Bettdecke.
Florian Pasterny
Pedo Hunters Folge auf YouTube