Sterbehilfe - Die stillen Helden im Alltag

von FLORIAN PASTERNY

 

In unserem Land herrscht seit jeher eine hitzige Debatte zum Thema Sterbehilfe. Wir verweisen stets auf die verschiedenen und differenzierten individuellen Moralvorstellungen in einer pluralistischen Gesellschaft. Eine Ethik des Leidens gibt es nicht und so sollte und muss jeder Mensch über seinen eigenen Tod bestimmen dürfen. Denn auch das gehört zur Würde des Menschen. Denn es geht hierbei nicht um eine Sterbeindustrie, nicht um Ärzte, Politiker und Gesetze: Es geht einzig um den Willen eines Einzelnen. Die Perversion des christlichen Denkens geht dabei in zwei Richtungen. Zum einen muss Sterbehilfe im Christentum ein Tabu bleiben - Salvifici Doloris nannte Papst Johannes Paul II. seine Enzyklika über den Schmerz und er hielt ihn bis zum Tode aus. Und zum anderen ist die christliche Nächstenliebe damit verbunden, anderen Menschen auch in den Tod zu begleiten und Hilfestelltung zu geben. So zumindest das ethische und moralische Verständnis von Nächstenliebe.

Das Berliner Establishment ist sich uneins. Noch immer fehlen gesetzliche Rahmenbedingungen für eine würdevolle Sterbehilfe. Viele Ärzte bewegen sich stets in den Grauzonen der Paragraphen. Ein Drittel der Ärzte geben an, dass sie die Beihilfe zur Selbsttötung mit ihrem Berufsethos vereinbaren können. Denn Ärzte haben sich einer bestimmten Sache verschrieben: Menschen helfen und die Würde der Menschen bewahren. In Deutschland muss kein Arzt mehr den Eid des Hippokrates oder noch besser auf die Genfer Deklaration des Weltärztebundes schwören, aber ethische Diskussionen beginnen stets mit den Inhalten der Deklarationen. Und gerade in der Genfer Deklaration steht kein Passus mehr zum Thema Abtreibung und Sterbehilfe.

Ärzte werden von der Politik im Stich gelassen. Denn eine Beihilfe bei einer freiverantwortlichen Selbsttötung ist in Deutschland strafrechtlich nicht verboten. Für Ärzte aber gilt neben dem berufsrechtlichen Verbot die Garantenpflicht, nach der sie, falls sie einen noch lebenden Suizidenten finden, verpflichtet sind, ihn zu retten.

Kritiker der Sterbehilfe sind der Meinung, dass wir an eine Grenze stoßen. "Wer Sterbehilfe mit der Maske einer Humanität belegt, handelt unmenschlich", so die weitläufige Kritik. Aber Humanität endet doch nicht beim Leben. Humantität kann doch auch über den Tod hinaus wichtig und würdevoll sein. Wenn wir uns entschließen, dass Nächstenliebe, Würde und Menschlichkeit mit dem Tod enden, dann reißen wir uns allen aber selbst die Maske vom Gesicht.

 

Wahre Helden leben im Schatten

Zur Menschlichkeit des Sterbens gehört aber auch das Aushalten, das Halten der Hand bis zum Ende. Dass dabei Schmerzmittel gebraucht werden, mehr noch: Dass Schmerzmedizin, palliativ ausgerichtete Pflege und psychosoziale Betreuung dabei Hand in Hand gehen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Und ohne unsere stillen Helden im Alltag, die ein Schattendasein leben, wäre vieles gar nicht möglich. So unsere Pflegerinnen und Pfleger, Krankenschwestern, die Fahrer der Krankentransporte, Altenpfleger, Erzieher und viele mehr. Wer sich um die Schwächsten des Landes so engagiert bemüht, der muss auch richtig entlohnt werden. Helden sind die, die es trotzdem lernen und später im Beruf arbeiten. Am Geld wird es nicht liegen. Sondern es liegt an der inneren Einstellung zum Menschsein. Es kann und es darf nicht sein, dass ausgerechnet die Berufsschicht, die sich mit Kindern, Kranken und Sterbenden tagtäglich beschäftigt, die eine derart große Verantwortung trägt, die eine der Hauptsäulen christlichen Glaubens jeden Tag praktisch umsetzt, weder finanziell noch gesellschaftlich anerkannt ist. Hier läuft etwas grundsätzliches schief.

Wenn wir wollen, dass wir weiterhin engagierte und couragierte Pflegerinnen und Pfleger haben, dann müssen wir am Wert des Berufsstandes etwas ändern. Hier muss die Politik auch Anreize schaffen und vor allem diese Helden des Alltags besser entlohnen. Es kann doch nicht sein, dass Pflegerinnen und Pfleger so viel weniger verdienen als Ärzte. Und ich sah noch kein Krankenhaus, in dem Ärzte viel mehr gearbeitet hätten als die Pflegerinnen und Pfleger.

Am schlimmsten ist die Belastung der Krankenschwestern und Pfleger. Sehr gerne würden diese viel mehr Zeit mit Kranken und Sterbenden verbringen, für sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein schöneres Umfeld arrangieren und einfach Humanität walten lassen. Diese Belastung und diese Verantwortung ist hoch. Denn diese Berufsgruppe versucht schon alles mögliche, um diese Vorstellungen umzusetzen - doch zu welchem Preis? Überbelastung, wenige freie Tage, geringer Lohn. Woher also die Motivation nehmen? Ich habe größten Respekt vor diesem Beruf, nein vor dieser Berufung. Menschen zu helfen, Menschen eine Würde zu schenken, mit ihnen zu reden, sie zu pflegen oder einfach mal zuzuhören - das erzeugt bei mir große Demut.

Die Regierung muss endlich im Zukunftsdialog aktiv werden. Doch nicht nur die aktuelle Regierung ist da gefordert. Besonders auch die Länder und die Oppositionen in Bund und Ländern müssen neue Ziele und Wege finden, damit diese Berufsgruppe das verdient, was sie verdient. Denn von meinem Respekt, von meiner Annerkennung und von meiner Bewunderung können sich diese Menschen leider nichts kaufen, außer ein Lächeln auf ihren und meinen Lippen.

Florian Pasterny