
von FLORIAN PASTERNY
Die jüngste politische Koinzidenz, in der die Christlich Demokratische Union (CDU) unter der Führung von Friedrich Merz gemeinsam mit der Alternative für Deutschland (AfD) im Bundestag abgestimmt hat, markiert einen symbolischen Epochenbruch, der tief in den ethischen und philosophischen Grundfesten unserer demokratischen Gesellschaft rüttelt. Dieser Moment ist nicht lediglich eine politische Taktlosigkeit, sondern vielmehr ein symptomatischer Ausdruck der Erosion demokratischer Werte in Zeiten des Populismus.
Die AfD ist mehr als nur eine politische Opposition; sie ist die Verkörperung eines autoritären Ressentiments, das die Grundpfeiler der liberalen Demokratie – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – in Frage stellt. Ihre Rhetorik der Ausgrenzung und ihre Verachtung für pluralistische Werte stehen in diametralem Gegensatz zu den Prinzipien, die nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland inspiriert haben. Dass eine traditionsreiche Partei wie die CDU diesen ideologischen Dammbruch riskiert, indem sie sich mit der AfD gemein macht, ist ein gefährliches Signal an die Gesellschaft.
Die Zivilgesellschaft hat reagiert – prompt und energisch. In den Straßen Berlins manifestierte sich die Entschlossenheit von 160.000 Bürgerinnen und Bürgern, die sich den rechten Tendenzen entgegenstellten. Dieser Akt des zivilen Widerstands ist nicht bloß eine politische Demonstration, sondern eine tief verankerte ethische Verpflichtung zur Wahrung der demokratischen Ordnung. Es erinnert uns an die Worte Hannah Arendts, die betonte, dass Freiheit und politisches Handeln untrennbar verbunden sind – dass die aktive Teilnahme am öffentlichen Leben das Wesen der Freiheit selbst ausmacht.
Die Demokratie, so zart und verletzlich wie sie ist, erfordert unsere stete Wachsamkeit und unseren unermüdlichen Einsatz. Sie ist kein Naturzustand, sondern eine zivilisatorische Errungenschaft, die fortwährend gegen ihre Feinde verteidigt werden muss. In diesem Kontext erscheint die Diskussion um ein Verbot der AfD nicht nur als juristische Notwendigkeit, sondern als moralischer Imperativ. Wenn eine politische Partei die Grundrechte untergräbt, Minderheiten marginalisiert und die Demokratie selbst verhöhnt, ist es dann nicht die Pflicht des demokratischen Rechtsstaats, diese Bedrohung zu bannen?
Doch eine Demokratie, die sich selbst treu bleiben will, darf nicht in totalitäre Versuchungen verfallen. Ein Verbot der AfD muss sorgfältig abgewogen werden – nicht aus Furcht vor den Reaktionen ihrer Anhänger, sondern aus Respekt vor den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Meinungsfreiheit. Aber es ist eben diese Balance, dieses dialektische Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit, das die Stärke der Demokratie ausmacht. Und genau hierin liegt die Aufgabe eines jeden von uns: Diese Balance zu wahren, durch Bildung, Aufklärung und die aktive Gestaltung des politischen Diskurses.
Es ist an der Zeit, dass wir uns der historischen Verantwortung bewusst werden, die uns als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auferlegt ist. Der Widerstand gegen rechte Tendenzen beginnt im Kleinen – in der Familie, im Freundeskreis, in der Schule. Es ist die Summe dieser alltäglichen Akte der Zivilcourage, die letztlich die große Erzählung der Demokratie prägen. Lassen wir nicht zu, dass die Geschichte uns als jene in Erinnerung behält, die zusahen, während die Feinde der Freiheit sich ihrer bemächtigten. Stehen wir auf – für die Demokratie, für die Freiheit, für die Menschlichkeit.
Florian Pasterny