
von FLORIAN PASTERNY und JAN GUDDEN
Was bleibt, wenn zwei Väter, zwei Journalisten, zwei Linke – plötzlich auf gegenüberliegenden Seiten eines moralischen Grabens stehen, den sie lange gemeinsam für unüberwindbar hielten?
Als Grundlage dieses Streitgespräches dienen die beiden Artikel. Florian Pasterny mit seinem moralischen Dilemma und Jan Gudden mit seiner ungehaltenen Antwort.
Vielleicht bleibt nach so einem Streit, den Sie gleich lesen werden, das Schweigen. Vielleicht eine verdammte Leerstelle.
Vielleicht aber auch etwas Wertvolleres: die Erkenntnis, dass selbst unter Freunden, selbst unter Menschen mit gleichem Herzen, dieselbe Wunde ganz unterschiedlich schmerzen kann.
Florian Pasterny hat in diesem Streit nicht gegen Israel gesprochen – sondern gegen das Verstummen.
Er hat nicht für die Gegner Israels gesprochen – sondern für seine eigene zerrissene Wahrheit.
Seine Loyalität ist kein Fähnchen im Wind, sondern ein schweres Erbe, das er nicht leichtfertig ablegt, sondern ringend befragt.
Jan Gudden hat in diesem Streit nicht für Krieg gesprochen – sondern für Konsequenz.
Nicht gegen Empathie – sondern gegen eine Moral, die blind wird, wenn sie zu viele Grautöne zulässt.
Er glaubt, dass wer jetzt zögert, zu spät ist. Dass wer Israel nicht schützt, es verrät.
Und was beide eint – ist der Schmerz über das, was gerade geschieht.
Nur das, worauf dieser Schmerz antwortet, ist verschieden geworden.
Vielleicht ist das der eigentliche Bruch zwischen beiden.
Vielleicht ist es aber auch der Anfang von etwas, das Menschheit überhaupt erst verdient:
Ehrlichkeit.
Auch wenn sie weh tut.
Florian Pasterny:
Ich weiß nicht, Jan. Vielleicht ist es Naivität. Vielleicht ist es das Erbe meines Geschichtslehrers, der beim Thema Auschwitz jedes Mal Tränen in den Augen hatte. Vielleicht ist es aber auch das
tiefe Gefühl, dass ich mich eben nicht von der eigenen Geschichte freimachen kann. Ich will es auch nicht. Israel zu kritisieren fühlt sich an, als würde ich die Hand heben, die einst in den
Abgrund zeigte.
Aber was in Gaza geschieht – diese massiven Angriffe, diese Bilder von toten Kindern, zerbombten Krankenhäusern, erschütterten UN-Berichten – ich kann das nicht mehr rechtfertigen, ohne mich
selbst zu verraten.
Gibt es denn keine Grenze mehr zwischen Verteidigung und Rache?
Jan Gudden:
Ach bitte, Florian. Dieses moralische Hadern ist doch nichts weiter als intellektuelle Eitelkeit.
Du sitzt hier mit deiner historisch aufgeladenen Zerrissenheit wie ein Pfarrer mit Schuldkomplex. „Ich darf Israel nicht kritisieren, aber ich muss.“ Weißt du, was das ist? Das ist eine bequeme
Pose. Du stellst dich auf die Bühne der Empathie, aber in Wirklichkeit flüchtest du vor der Realität.
Israel wird nicht für dein Gefühl von ethischer Reinheit kämpfen. Es kämpft ums Überleben.
Und Gaza? Ja, es ist die Hölle. Aber diese Hölle hat Hamas entfacht, nicht die IDF.
Florian Pasterny:
Bequem? Jan, ich finde nichts bequemer, als im Namen der Staatsraison jede Grausamkeit als Notwendigkeit zu verkaufen.
Wenn ich mir die Bilder aus Khan Younis anschaue, frage ich mich: Wie weit darf ein Staat gehen, um sich zu verteidigen, ohne selbst das zu werden, wovor er sich schützt?
Und ja, ich sage das mit Bauchschmerzen. Aber weißt du was? Ich möchte Bauchschmerzen. Wer angesichts dieser Bilder keine hat, hat kein Gewissen.
Ist dir das eigentlich verloren gegangen? Oder war deins nie dort, wo andere sterben?
Jan Gudden:
Jetzt wirst du billig, Florian. Emotionales Feigenblatt. Du redest, als wärst du moralisch überlegen, dabei machst du es dir in der Ambivalenz gemütlich.
Du bist der Typ, der auf Demos mitgeht, aber beim ersten Steinwurf sich schockiert abwendet.
Israel hat einen Feind, der Zivilisten als Schutzschilde benutzt, der Massaker begeht und dann weint, wenn das eigene Volk leidet.
Willst du ernsthaft, dass Israel im Sitzen stirbt, weil dir das moralisch reiner erscheint?
Florian Pasterny:
Nein. Ich will, dass ein demokratischer Staat wie Israel sich nicht auf das Niveau von Terroristen begibt.
Ich will, dass wir aufhören, jede Kritik mit Antisemitismus gleichzusetzen und jede Zivilistentötung mit „Kollateralschaden“ zu beschönigen.
Wenn wir links sind, Jan, dann heißt das, dass wir auch für die Opfer auf beiden Seiten Empathie haben müssen.
Oder bist du inzwischen so staatsverliebt, dass dir deine Haltung wichtiger ist als dein Herz?
Jan Gudden:
Ich bin links genug, um zu erkennen, dass die Welt nicht aus Gut und Böse besteht, sondern aus Entscheidungen, die manchmal alle falsch sind – und man sich trotzdem für eine entscheiden
muss.
Israel verteidigt sich nicht gegen Kritik, sondern gegen einen Feind, der seine Vernichtung will.
Du forderst Moral im Krieg. Ich fordere Realität im Journalismus.
Und dein linkes Mantra von „Empathie für beide Seiten“ ist eine Floskel für Leute, die aus sicherer Entfernung zuschauen und sich dann für ihr Mitgefühl feiern lassen.
Florian Pasterny:
Dann erklär mir doch mal, Jan, wie viele tote Kinder du in Kauf nimmst, bevor du sagst: Stopp.
Oder ist das für dich eine Frage von Statistik? Und wie viele UN-Resolutionen musst du ignorieren, bevor du merkst, dass du längst zum Apologeten geworden bist?
Du klammerst dich an ein Israelbild, das in Trümmern liegt – buchstäblich.
Ich halte Israel nicht für böse. Aber ich halte dich für blind.
Jan Gudden:
Und ich halte dich für feige.
Du willst ein guter Deutscher sein, Florian. Ein moralischer Deutscher. Ein um Vergebung bittender. Aber kein Freund Israels braucht einen Büßer. Israel braucht einen Verbündeten.
Und das bedeutet manchmal: den Preis zu akzeptieren. Auch wenn er schmerzt.
Florian Pasterny:
Und ich sage: Ein Freund Israels ist, wer es auch dann kritisiert, wenn es gefährlich wird, es zu tun.
Weil echte Freundschaft nicht aus Schweigen besteht.
Weißt du, Jan, manchmal sitze ich nachts am Schreibtisch, meine Kinder schlafen, der Monitor flimmert, und ich klicke mich durch diese Berichte: zerfetzte Körper, apokalyptische Ruinen, Stimmen
aus dem Gazastreifen, die weinen, beten, schreien.
Und dann frage ich mich: Was sage ich später meinen Kindern?
Dass ich geschwiegen habe, weil es politisch klüger war? Weil Israel unsere historische Verantwortung ist?
Oder sage ich: Ich habe mich getraut, das Offensichtliche zu benennen, auch wenn es unbequem war?
Ich bin kein Zyniker, Jan. Ich bin auch kein Antisemit. Ich bin ein Mensch mit einem Gewissen.
Jan Gudden:
Florian, du klingst wie ein Ethikseminar in der Midlife-Crisis.
Natürlich ist Krieg grausam. Natürlich sterben Kinder. Aber was du hier betreibst, ist moralisierender Feuilleton-Kitsch.
Du fühlst dich zerrissen? Ja, willkommen im Club.
Aber deine Zerrissenheit ist kein Argument. Sie ist ein rhetorischer Trick. Du leidest laut – und hoffst, das reicht, um nicht entscheiden zu müssen.
Während du dein Gewissen polierst, verteidigt Israel seine Existenz.
Florian Pasterny:
Und während du Israel feierst, schlittert es in eine moralische Katastrophe.
Ich bin auf jeder Demo gegen Rechts. Ich war auf den Straßen, als Nazis wieder Parolen schrien. Ich habe Morddrohungen bekommen, weil ich mich gegen Ausgrenzung stelle – auch gegen
Antisemitismus.
Aber erklär mir: Wie kann ich das glaubwürdig tun, wenn ich gleichzeitig wegschaue, wenn Menschen in Gaza verrecken?
Ich will nicht, dass mein Kampf gegen Hass instrumentalisiert wird, um andere Hassformen zu legitimieren.
Jan Gudden:
Du setzt Maßstäbe, die kein Staat dieser Welt erfüllen kann, außer im Märchenbuch.
Du sprichst von Moral, als sei sie ein Universalschlüssel. Aber Moral ist nicht statisch. Sie ist kontextabhängig.
Und ja: Israel ist ein Sonderfall. Nicht, weil ich das so will, sondern weil die Welt es so gemacht hat.
Wenn du dein Gewissen zur Messlatte machst, dann erklär mir bitte: Wo war dein Aufschrei bei Aleppo? Bei Darfur?
Oder interessiert dich das nur, wenn „der Westen“ verantwortlich gemacht werden kann?
Florian Pasterny:
Ach komm, Jan, das ist das billigste aller Argumente: der Whataboutismus der kalten Intellektuellen.
Du wirfst mit geopolitischen Begriffen um dich wie mit Konfetti – Realpolitik, Kontext, Sicherheit – aber du verlierst die Menschen aus dem Blick.
Ich habe mich bei Aleppo geäußert. Aber weißt du, warum Gaza anders ist?
Weil ich Israel liebe. Und weil es mir weh tut, zu sehen, wie diese Liebe gerade zerbricht.
Ich will kein Feind Israels werden. Aber ich will auch nicht zu seinem Anwalt mutieren, der Leichen mit Fußnoten erklärt.
Jan Gudden:
Das hier ist keine verdammte Paartherapie, Florian!
Du sprichst über Israel, als wärst du ein enttäuschter Liebhaber, der jetzt den moralischen Rückzug zelebriert.
Aber das ist der Punkt: Du kannst dir diesen Luxus leisten, weil du nicht unter Raketen lebst.
Weil du nachts nicht darüber nachdenken musst, ob deine Kinder den nächsten Tag erleben.
Du hast Angst, später deinen Kindern erklären zu müssen, warum du Israel nicht kritisiert hast?
Ich habe Angst, erklären zu müssen, warum wir immer noch Menschen erziehen, die sich von Terroristen die Maßstäbe diktieren lassen.
Florian Pasterny:
Was du betreibst, Jan, ist die Heiligsprechung der Gewalt.
„Weil Hamas böse ist, darf Israel alles“ – das ist keine Analyse, das ist Erbsenzählen auf einem Friedhof.
Ich will, dass meine Kinder lernen, dass Menschlichkeit nicht aufhört, wenn der Gegner unmenschlich ist.
Ich will, dass sie wissen, dass sich Moral nicht an Staatsgrenzen orientiert.
Und dass Kritik nicht Verrat ist, sondern ein Akt der Loyalität gegenüber der Idee, für die Israel einst stand: Freiheit, Demokratie, Menschenwürde.
Jan Gudden:
Diese Idee verteidigt Israel jetzt.
Mit Panzern. Mit Drohnen. Mit dem Preis, den du nicht zahlen willst.
Und du – du lehnst dich zurück und dichtest an deiner Tragödie.
Du bist kein moralischer Held, Florian. Du bist ein Wohlstandslinker mit einem überempfindlichen Kompass.
Dein Dilemma ist selbstgemacht. Und dein Pathos ist hohl.
Florian Pasterny:
Dann sag mir, Jan:
Wozu bist du noch links, wenn du keine Grenzen mehr kennst?
Wenn du bereit bist, alles zu relativieren, solange es unter der Flagge eines Bündnisses geschieht, das dir gefällt?
Ich kann nur dann auf der richtigen Seite stehen, wenn ich bereit bin, sie zu hinterfragen.
Sonst bin ich nichts weiter als ein Mitläufer in besserem Gewand.
Jan Gudden:
Weißt du, Florian, irgendwann wird’s einfach nur noch eitel.
Dein ganzes Dilemma – das ist kein moralischer Konflikt. Das ist Selbstinszenierung.
Du leidest so gern. Du suhlst dich in deiner Zerrissenheit wie ein Dichter im Elend.
Aber was du da machst, ist nichts weiter als eine empathisch drapierte Egotour.
Du willst kein Mitläufer sein? Herzlichen Glückwunsch. Du bist der moralische Märtyrer unserer Redaktion.
Und weißt du, was das Schlimmste ist?
Du hältst dich noch für mutig.
Florian Pasterny:
Und du hältst dich für abgeklärt, dabei bist du nur abgestumpft.
Du hast so lange auf diese Konflikte geschaut, dass du vergessen hast, was Wut ist, was Schmerz ist.
Dein Zynismus ist kein Realismus. Es ist pure Müdigkeit, verpackt in politische Abgeklärtheit.
Ich beneide dich nicht um deine Coolness, Jan.
Ich verachte sie.
Jan Gudden:
Du verachtest sie, weil du sie brauchst.
Weil du spürst, dass du dich verrennst.
Du versuchst, dich mit Betroffenheit reinzuwaschen, aber das funktioniert nicht mehr.
Du willst dich nicht gemein machen mit dem, was du kritisierst – aber am Ende bist du es doch, der die Narrative der Hamas miterzählt.
Du fütterst genau jene Stimmung, die Antisemitismus in dieses Land zurückspült –
und kommst dann mit Tränen in den Augen und sagst: „Ich liebe Israel.“
Florian Pasterny:
Weil ich es liebe! Und gerade deshalb darf ich es nicht schweigend begleiten, wenn es dabei ist, sich selbst zu verlieren.
Wenn du das nicht begreifst, hast du nichts von Loyalität verstanden.
Ich habe zwei Kinder, Jan. Ich will nicht, dass sie aufwachsen mit der Botschaft: „Wenn unsere Seite Bomben wirft, ist das in Ordnung.“
Ich will, dass sie verstehen: Menschlichkeit ist kein Besitz. Sie ist Pflicht.
Jan Gudden:
Und ich habe auch zwei Kinder, verdammt nochmal.
Und ich werde ihnen beibringen, dass sich Menschlichkeit nicht darin zeigt, den eigenen Freunden in den Rücken zu fallen, wenn sie angegriffen werden.
Dass man Haltung zeigt, wenn es schwer wird.
Nicht Haltung mit Tränen. Nicht Haltung mit Kunstpausen und Literaturverweisen.
Sondern klare Kante.
Denn das ist, was Juden seit 1948 gebraucht haben: Verlässlichkeit. Nicht Poesie.
Florian Pasterny:
Verlässlichkeit ist nicht Gleichschritt, Jan.
Ich bleibe Israel verbunden – gerade, weil ich es kritisiere.
Wenn du glaubst, Loyalität heißt, alles abzunicken, dann hast du nichts aus der Geschichte gelernt.
Dann bist du nicht der Journalist, der du vorgibst zu sein.
Dann bist du ein Pressesprecher mit Haltungskrawatte.
Jan Gudden:
Und du bist der Typ, der im sicheren Köln sitzt, mit deinen Kindern spielst und abends Interviews mit Tränen schreibt –
während in Israel Kinder unter den Schultischen hocken, weil Sirenen heulen.
Hör auf, dein Gewissen zur politischen Währung zu machen.
Du benutzt es wie andere ihre Likes.
Deine Texte sind nicht mutig, Florian. Sie sind bequem – für die, die Israel nie mochten und jetzt deine „Zerrissenheit“ feiern dürfen wie ein Geschenk.
Florian Pasterny:
Du hast keine Ahnung, was Mut ist.
Mut ist, sich gegen den eigenen Reflex zu stellen. Mut ist, auch dann zu sagen: „Hier stimmt was nicht“, wenn es weh tut.
Ich will nicht in einem Land aufwachen, in dem Kritik an Israel gleichgesetzt wird mit Antisemitismus.
Ich will auch nicht, dass meine Kinder schweigen, wenn sie spüren, dass etwas falsch läuft.
Du glaubst, du schützt Israel. Aber was du wirklich schützt, ist dein Weltbild.
Und das bröckelt.
Jan Gudden:
Wenn es bröckelt, dann nur, weil Leute wie du glauben, jede komplexe Realität müsse in moralische Märchenform gepresst werden.
Du willst kein Apologet sein? Du bist längst einer – für ein linkes Milieu, das längst vergessen hat, was Verteidigung heißt.
Dein moralisches Dilemma?
Es ist der Schleier, hinter dem du deine politische Feigheit versteckst.
Florian Pasterny:
Weißt du, was das Schlimmste ist, Jan?
Dass du glaubst, du kämpfst noch für etwas.
Aber du kämpfst längst gegen alle, die sich nicht deinem verdammten Binärdenken unterwerfen.
Ich sehe, was in Gaza passiert. Ich sehe die Leichen, die Kinder, die zerfetzten Gesichter.
Und ich sehe, wie du das alles relativierst – als Kollateralschaden, als notwendiges Übel.
Du bist so sehr in deiner Rolle als Antisemitismus-Sheriff aufgegangen, dass du gar nicht mehr merkst, wann du aufhörst zu denken und anfängst zu brüllen.
Jan Gudden:
Und du bist ein Heuchler.
Du sitzt auf deinem journalistischen Hochsitz, bläst melancholisch in deine Moralposaune und hoffst, dass man dir Applaus spendet für deinen inneren Zwiespalt.
Dabei bist du längst ein nützlicher Idiot für all jene, die Israel am liebsten von der Landkarte tilgen würden.
Du lässt dich instrumentalisieren, Florian.
Du bist zu klug, um es nicht zu merken – und zu eitel, um es zuzugeben.
Florian Pasterny:
Fuck you, Jan.
Ich lasse mich von niemandem instrumentalisieren. Gerade deshalb schreibe ich so, wie ich schreibe.
Weil ich mich nicht missbrauchen lassen will – nicht von den Israel-Hassern, nicht von den Antisemitismus-Keulenschwingern wie dir.
Ich leide unter diesem Widerspruch, Tag und Nacht. Ich wache auf mit Schuldgefühlen, weil ich Israel kritisiere, und ich gehe schlafen mit Ekel, weil ich es nicht mehr schweigend
aushalte.
Du hast keine Ahnung, was das mit einem macht, wenn man die eigene Haltung gegen die eigene Geschichte stellen muss.
Jan Gudden:
Du leidest?
Ach komm, Florian. Du verwechselst das schlechte Gewissen eines linksliberalen Wohlstandsmenschen mit echter Verantwortung.
Du sprichst von Gaza, als wär’s ein Theaterstück mit klarer Dramaturgie.
Du sprichst von Israel, als wär’s ein enttäuschter Vater, dem du nun trotzig die Liebe entziehst.
Aber das hier ist Krieg, verdammt. Und du behandelst ihn wie eine moralische Übung.
Du bist kein Held. Du bist ein verdammter Feuilleton-Tourist.
Florian Pasterny:
Und du bist ein Fanatiker im Mantel der Vernunft.
Du hast dich eingerichtet in deinem Panikbunker aus Prinzipien.
„Nie wieder!“ schreist du – aber du meinst: Nie wieder Kritik, nie wieder Zweifel, nie wieder Menschlichkeit, wenn’s um Israel geht.
Du siehst Antisemitismus, wo andere einfach nur schreien, weil sie nicht mehr schweigen können.
Du hast den Unterschied zwischen legitimer Kritik und Hetze so lange eingeebnet, dass dir gar nicht mehr auffällt, dass du selbst längst der Zensor geworden bist, den du früher bekämpft hast.
Jan Gudden:
Du bist so unglaublich arrogant.
Du glaubst ernsthaft, du allein hättest die Lizenz zum moralischen Zweifel?
Du bist nicht mutig, Florian. Du bist bequem. Du willst von allen Seiten beklatscht werden – von links, von liberal, von palästinasolidarisch.
Aber weißt du was?
Du kannst dich nicht in alle Richtungen verbeugen, ohne irgendwann auf dem Bauch zu landen.
Florian Pasterny:
Und du kannst nicht aufrecht gehen, wenn du dich an deiner eigenen Ideologie festschnallst wie an einem Rückenpanzer.
Ich habe Kinder, Jan. Zwei wundervolle, neugierige Wesen.
Und ich will nicht, dass sie in einer Welt leben, in der es unanständig ist, sich Fragen zu stellen.
Ich will, dass sie fühlen dürfen, zweifeln dürfen. Auch an Freunden. Auch an Israel.
Ich will nicht, dass sie lernen, dass Solidarität bedeutet, das Maul zu halten.
Jan Gudden:
Dann wünsche ich deinen Kindern viel Spaß im akademisch-moralischen Trümmerfeld, das du ihnen baust.
Ich hoffe, sie lernen irgendwann den Unterschied zwischen Haltung und Selbstverliebtheit.
Florian Pasterny:
Und ich hoffe, deine Kinder lernen, dass Menschlichkeit wichtiger ist als jede Staatsräson.
Dass man Freunde kritisieren kann – und dass Liebe auch bedeutet, die Wahrheit zu sagen, wenn sie wehtut.
Ich hoffe, sie verlernen nie das, was du hier in dem Fall verloren hast:
Die Fähigkeit, sich zu schämen.
ENDE
Florian Pasterny und Jan Gudden
Kommentar schreiben